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Bildlich gesprochen

Chuck Ragan and The Camaraderie (Hirsch, Nürnberg) | An Early Cascade (Rockfabrik, Nürnberg // Cairo, Würzburg) | Heisskalt (Rockfabrik, Nürnberg // Cairo, Würzburg)

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Die letzte Show von Against Me!, die ich gesehen hatte, war mit dir. Laura Jane Grace war noch Tom Gabel gewesen, und du warst noch am Leben. Dinge ändern sich, Menschen ändern sich, ebenso Umstände und Gelegenheiten. Die einen beschließen, ihr Leben neu zu beginnen, in einem anderen Körper, in einem anderen Geschlecht, und andere flüchten vollständig. Dein Gesicht in der Menge? Ein grüner Schopf. Nein, ein blauer. Plötzlich rot, und du zerfließt. Überall Blut. Ich liege am Boden. Schon wieder gefallen, du ziehst mich nach oben. Du? Ich verliere dich aus den Augen, lande zwischen Füßen und Staubwolken, zwischen Gedanken und Tränen. Und Blut. 
Dinge ändern sich, Menschen, Umstände, Gelegenheiten. Manche Dinge stellt man nicht infrage. Man zweifelt nicht an ihrer Beständigkeit. Oder ihrer Selbstverständlichkeit. Oder an ihrer Regelmäßigkeit, wie dein Atmen. Erst wenn es fehlt, hört man die Stille. Die Regelmäßigkeit deines Lachens, welches leere Räume bunt zeichnete - warum vermisse ich es erst, wenn es ganz fehlt und nicht schon, als es in tiefer Dunkelheit und Depression verstummte? Habe ich Anzeichen übersehen? Die Beständigkeit deiner Blicke nicht hinterfragt? Haben sich Unaufmerksamkeit und Gewohnheit den Synonymstatus der Selbstverständlichkeit und der Regelmäßigkeit heimlich erschlichen? Kein Albtraum, kein Worst Case und keine Paranoia, Psychose oder Neurose hätten das portraitieren können, was ich jetzt fühle.
Deine Klamotten werden schon von Motten zerfressen, bis kein Präfix mehr übrig bleibt, und deine Schuhe hängen schon längst auf Baumarmen in der Stadt verteilt, oder auf Telefonmasten, Stromleitungen, zwischen Leben und Liebesbekundungen und den Luftwellen von Notrufen. Meine Haut kann sich nicht mehr an deine erinnern, und das Postamt stellt schon lange keine Briefe mehr zu; deine Geliebte, Ronnie, sie stellt auch keine Gedanken mehr zu.
Ein grüner und ein blauer Schopf, die meine Beine heben, ein vom Licht rot gefärbter Skalp. Crowdsurfen zum Sanitäter. Das Blut fließt mir an den Schläfen herab. Die Sanitäter fragen nach meiner Ansprechbarkeit, meiner Zurechnungsfähigkeit. Sie sehen die weißen, hervorstehenden Knochen, sie sehen die Narben und sie sehen die blauen Flecken.
Warum muss man seine inneren Wunden erst nach außen tragen, bis sie bemerkt werden?