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Bezoar

Es gibt einen Menschen, in dessen Gegenwart ich mich wie eine alte Seele fühle. Als hätte ich durch seine Augen alles gesehen, gefühlt und erlebt, was das Leben birgt und als ob ich mit ihm aus dem fünften Stock springen oder vor den Bus laufen könnte, denn mehr würden wir nicht bergen. Mehr als das Jetzt könnten wir nie bestehen und aus Angst und Paranoia vor dem retardierenden Moment, das auf die Katharsis folgen muss, würde ich lieber meine Blutzirkulation stagnieren. Doch wenn das Amphetamin nachlässt, sich die wachen Stunden dem Mondzyklus fügen, der Rausch abnimmt und die Wirklichkeit meine Sinne erfriert, warte ich nur auf das nächste Mal, bis ich meinen Wahnsinn verrücken kann. Ich will nicht schlafen, wenn die Realität meine Träume so viel schöner zeichnet als die schläfrige Parallelwelt.
In manchen Momenten, insbesondere wenn ich zu viel MDMA in meinem Organismus habe, verwechsle ich Schwerelosigkeit mit Liebe. Sowie die Grenze zwischen Leugnung und Läuterung verschwimmt und zwischen Besetzer und Besitzer. Zwischen lehrbuchkonformer Kompensation und Kompedium. Ich weiß und spüre, wen ich liebe, doch Zufall und Unfall unterscheiden sich lediglich in der Komponente der Notwendigkeit, laut Paul Auster. Ich weiß, dass ich in zehn Jahren, wenn der Drogendurst gestillt ist, mit ihm noch immer am Lagerfeuer sitzen, Hangover-Schach spielen oder mit ihm streiten werde, ob Frank Carter seinen Zenit mit Gallows, Pure Love oder den Rattlesnakes erreicht hatte. Und wir werden über all die Anekdoten lachen, die uns verbinden und wir in all den tagelangen Nächten gesammelt haben wie Treibholz in diesem bizarren Fluss, den wir durchwaten und darauf warten, dass die Ebbe zutage trägt, was wir fallengelassen haben. Natürlich, einige substanzen- und gelegenheitsbedingte romantische Ausrutscher sind uns untergekommen, doch manche Freundschaften gehen tiefer als Pheromone und Neurotransmitter. Wir teilen ähnliche Schicksale, eine beinahe kongruente Vergangenheit, komplementäre Gegenwart und die Zukunft wird sicherlich wie zwei Parallelen für uns verlaufen, vorausgesetzt wir sterben nicht mit 27. Ich rede nicht von Seelenverwandtschaft und die Liebe will ich auch widerlegen, eher ergänzen wir uns wie Gift und Gegengift. Wie eine Infektion und deren Bezoar.


7 Kommentare:

  1. ich meine genau zu wissen, was du meinst. fantastisch geschrieben!

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  2. ich kenne das, wenn sich durch gewisse Substanzen deine Wahrnehmung so stark verändert, dass du nicht ganz benennen kannst, wie ein Mensch zu dir steht oder was er dir bedeutet. Doch wenn du nüchtern erwachst und immer noch dasselbe in diesem Menschen siehst, ist das eine der engsten Verbindungen, die man erleben kann. Durch dick und dünn zu gehen, durch nüchtern und berauscht, durch Himmel und Hölle.

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  3. Es ist schön zu lesen, dass du jemanden hast, der mit dir durch dick und dünn geht, auch wenn die Drogen das zu sein scheinen, was euch auf Proben stellt.

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  4. ich wünschte, ein Freund/eine Freundin würde so über mich sprechen

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  5. Oh man Elena, so schön mal wieder etwas von dir zu lesen (:

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  6. Oh, ich wünschte ich könnte so schreiben. Mann, ist das schön.

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