HOME TUMBLR LESENSWERT ZEICHNUNGEN DISCLAIMER FOLLOW ARCHIV

Blog-Archiv

"Wie geht es dir?"

, fragt sie mich. Die Worte so knirschend geformt als hätte sie Schnee im Mund und kalte Füße, dem stehenden Gallopp zufolge. Ihr Ausdruck ist so makellos ungespielt, beinahe könnte man ihr abkaufen, dass er aufrichtig sei. Das Gesicht so unbeschrieben offen, so ergeben verlegen und trotzdem keinesfalls beschämt, vermutlich aus jahrelanger Gewohnheit, von fremden Blicken inspiziert zu werden ohne zurückzuweichen. Sie duftet nach parfümiertem Make-Up, Boss Orange und guter Erziehung. Wie abgeklärt die Fronten doch sind und trotz allem spricht keiner die Wahrheit. Diese wird in einer Parallelwelt gewechselt, doch im Hier und Jetzt reden wir beide durch den Eisberg, der ganz transparent und doch sichtbar vor uns empor ragt. Würde es sie wirklich interessieren, dann hätte sie es nicht ausgesprochen, nämlich nicht an diesem Ort (in der Fußgängerzone Nürnbergs auf einer Demonstration) unter diesen Umständen (dem Zufall). Ich könnte nun anfangen, alleine meine letzten 24h aufgelöst in einem Satz ohne Punkt und Komma arragiert, wobei die über blink-182 geflossenen nostalgischen Jugend-Tränen in Relation noch zu bagatellisieren sind, denn mittlerweile heule ich bei jedem banalen Scheiß. Allerhöchstens würde sie ein 'Kann ich verstehen' heraus bringen, falls sie auch nur im entferntesten Gedanken ihr gutes Bild bei mir interessieren würde. Aber nicht einmal das bin ich für sie - nicht einmal so viel Wert, als dass sie es darauf anlegen würde, Mühe darauf zu verschwenden, ihren Eindruck bei mir zu gießen und zu schmieden. Wie es mir geht, das ist doch bitte nicht die Frage. Und verstehen kann das niemand, der nicht einen Tag in diesem Körper einen Atemzug Sauerstoffumwandlung betrieben hat. Genauso heuchlerisch wie ihre Frage ist dann schließlich meine Antwort: "Gut, mir geht es gut." Denn das ist einfacher, als die Wahrheit zu sagen.