Als ich sechs Jahre alt war, schrieb ich ganz dick und groß ein einziges Wort auf meine Weihnachts-Wunschliste: Glück. Ich faltete den Zettel mit meinen zarten Kinderhänden ganz bedacht zusammen, klappte das Blatt so nach hinten, dass das Wort in den dicken rote Lettern das erste sein würde, was man sah, wenn man den Briefumschlag öffnen würde. Der Weihnachtsmann sollte nicht meinen, man hätte ihm ein weißes Blatt Papier geschickt, das er dann weg schmeißen würde. Er sollte es sofort sehen, das einzige große Wort. Ich legte mich in mein Bett, bevor es Schlafenszeit war, zog die Decke über meinen Kopf und wartete gespannt, dass der Weihnachtsmann kommen und meinen Brief finden würde. Ich atmete ganz langsam, machte Schnarch-Geräusche und zählte die Minuten herab bis Mitternacht, die Ohre gespitzt, um die Glocken von Santa zu hören. Kurz vor Mitternacht hielt ich es nicht mehr aus, schlug die Decke zurück und schlich hinunter ins Wohnzimmer. Das Haus war so reglos, so einsam. Ich kuschelte mich in die Ecke des Sofas und meinte, dort versteckt genug zu sein. Ich starrte den weißen Briefumschlag ununterbrochen an, bis ich es aufgab, gegen meine fallenden Augenlider anzukämpfen. Als ich aufwachte, war die Welt viel heller, der Schnee vor dem Fenster glitzerte in der Sonne, und Weihnachten lag in der Luft. Euphorisch sprang ich sofort auf; das erste, was mir in den Sinn gekommen war, war mein Brief. Hastig schaute ich nach, was mit meinem Brief passiert war. Er hing noch da. Komplett reglos. Um mich herum herrschte Stille. Ich hielt den Briefumschlag in der Hand, so reglos und einsam war mein Herz in diesem Moment. Meine Mutter hatte mir nie vom Weihnachtsmann erzählt. Dieser heidnische Brauch fand in ihrer Welt nur in Form von Verachtung und Hass Platz. Während sie den ganzen Tag arbeitete, und die ganze Nacht wie ein Loch saufte, saß ich vor dem Fernseher und fragte mich, wer dieser dicke Mann mit der Coca-Cola-Flasche sei. Eine Freundin gab mir spottend die Antwort, dass das der Weihnachtsmann sei, ich Dummerchen! Also musste es ihn ja geben, wenn selbst das Fernsehen diese mysteriöse Figur zeigte. Meiner Mutter erfuhr nie von dem Brief. Ich suchte lange eine Erklärung dafür, warum der Weihnachtsmann mich ausgelassen hatte. Vielleicht kam er auch nicht vorbei, weil ich einfach nicht besonders genug war. Er vergaß mich einfach, flog über das Haus hinweg, das einzige Haus in der Straße, das nicht erleuchtet von den vielen Lichtern war. Kein Schmuck, kein Weihnachtsbaum, und keine Geschenke. Wir feierten das wahre Weihnachten: das größte Geschenk war Jesu Geburt. Mein Geschenk bekam ich folglich nicht. Der Weihnachtsmann hatte meinen Brief nie gefunden, und nie brachte er mir Glück. Damals beschäftigte mich diese Frage so sehr, warum der Weihnachtsmann nicht gekommen war. Heute beschäftigt mich die Frage, warum ein sechsjähriges Kind Glück auf seiner Wunschliste stehen hat.
Vielleicht kennt sie jemand, die kürzeste Kurzgeschichte. Jemand forderte Ernest Hemingway heraus, eine Kurzgeschichte mit nur 6 Wörtern zu schreiben. "For Sale: Baby Shoes, never worn"